Lehrgangsbeschreibung vom 29. Jan. 2018

von

Leises Sprechen, freudiges Begrüßen, gedämpftes Lachen, halbangezogene Hakamas, Schleifen bindende Hände, Schulterklopfen und das Gefühl, dass sich alle auf die kommenden zwei Stunden freuen: Es ist ein Gemenge aus Eindrücken, Geräuschen und einer Fülle von unterschiedlichen Energien im abendlichen Dojo des Aikido Zentrum Hamburg. Heute ist ein Lehrer aus Schweden zu einem Freundschaftstraining gekommen. Das indirekte Licht der Wandlampen zeigt genug Raum für ein Aikido der neuen Zeit mit viel Zentrums-Arbeit, sensiblen Erkunden des Gleichgewichts und der eigenen Handlungswirksamkeit. Lernen ist aufregend, beeindruckend, hebt die Energien und vertieft den eigenen Einblick in ein großes Ganzes, das uns wie eine behutsame Hand umgibt und von Stufe zu Stufe mitträgt:

Kniend sitzen Aikidoka vor ihrem Lehrer und beobachten seine Bewegungen. Der Eine nickt, der Andere runzelt die Stirn und der Dritte kann nur begeistert lächeln. Unbewusst sieht sich der Betrachter selbst in dem Moment der Ausführung und so manches Mal bewegen sich die Hände der Lernenden synchron mit, als führten sie ebenfalls die gezeigte Technik aus. Es ist ein Einfühlen in den eigenen Körper, ein Lernen, das sich am Anfang kaum durch eine Beobachtung aufnehmen lässt. Intuitives Erfassen prägt die vom Lehrer gegebene Aufgabe; selbst mit geschlossenen Augen könnte der Schüler sagen, ob das eigene Erscheinungsbild dem Gezeigten ähnelt. Beim Lernen verbinden wir unseren Geist mit unserem Körper auf besonders enge Weise, ganz unbewusst, einfach, weil wir es schon seit Kindheitstagen so gehandhabt haben. Es ist ein spielerischer Zugang, der mit viel Freude verbunden ist und unseren Geist offen hält, da er ohne einschränkende Gedanken etwas Schönes aufnimmt.

Einfühlsame Lehrer erkennen diesen Zustand ihrer Schüler und fühlen förmlich die Aufnahmebereitschaft. Sie lassen sich die Zeit, um prüfend den Ausdruck auf den Gesichtern jedes Einzelnen mit einem kurzen Blick zu erforschen. Eine neue Technik lässt sich in unterschiedliche Blickwinkel gliedern: Fußarbeit, Handarbeit, Körperausrichtung, Impulsrichtung und das Erfahren der gegenseitigen Resonanz. Es wird nicht möglich sein, all diese Aspekte in einem Moment zu erfassen oder auch zeigen zu können, doch das macht nichts. Jeder trägt seinen Teil dazu bei, dass ein Lernen gelingt:

Es ist die Gelassenheit des Lehrers, nicht den Anspruch zu besitzen, dass ein Schüler sofort alles erfasst und es ist der Spaß auf beiden Seiten. Es ist ein Lächeln über einen misslungenen Versuch, ein Lächeln über die ersten Erfolge, die sich einfach gut anfühlen und immer wieder gesucht werden. Wie beruhigend ist es, wenn der Lehrer darauf hinweist, dass sich die Richtung beim Probieren ergeben wird. Perfektionismus ist beim Training verbannt, denn er kann nur stoppen, klein machen und frustrieren.

Der Schüler lernt als Technik-Ausübender und als Empfangender. Die vom Verstand aufgenommene  richtige Handhabung ist nur ein kleines Tor zum Verständnis des Neuen. Wirklich einprägsam ist das Erfühlen, wenn der Lehrer immer und immer wieder dem Schüler die Gelegenheit bietet, das Zwingende einer Technik trotz einer lockeren, gelösten Ausführung am eigenen Leibe erfahren zu dürfen. Es ist ein kleines und gleichzeitig großes Geschenk vom Lehrer an den Schüler, dem er mit diesem Empfinden ein Ziel vorgibt, das er anstreben kann, egal wie lang sein Weg sein wird; es ist ein richtiges Aufsetzen auf Gleise, die ihren Weg kennen.

Tiefes Atmen, hoher Puls, Zufriedenheit, Nähe zu all denen, mit denen wir trainieren durften, Wohlempfinden und das große Gefühl, die Umarmung der Welt auch als solche empfunden zu haben beendet den Abend. Schön war’s!

 

Christine F. Behrens